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08.06.2022

Potenzial kann Fachkräfte mit sichern

IHK-Vollversammlung diskutiert Chancen durch internationale Zuwanderung

Die Mitglieder der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Offenbach am Main diskutierten in ihrer Sitzung am 2. Juni 2022 mit Dr. Frank Martin, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit, über die Chancen, Fachkräfte aus dem Ausland in Unternehmen zu integrieren.

IHK-Präsidentin Kirsten Schoder-Steinmüller skizzierte die aktuelle Lage: „Fachkräfte sind für unsere Unternehmen das wichtigste Gut. Qualifizierte Mitarbeitende sichern die Leistungs- und Innovationsfähigkeit der Unternehmen und tragen damit zu Wertschöpfung und Wohlstand unserer Gesellschaft bei. Viele Branchen ringen um qualifizierten Nachwuchs. Allein in Hessen könnten bis 2035 fast eine halbe Million Fachkräfte fehlen. Für die Region Offenbach prognostiziert der IHK-Fachkräftemonitor für das Jahr 2035 fast 40.000 fehlende Fachkräfte. Laut aktueller DIHK-Konjunkturumfrage sehen 56 Prozent der Unternehmen im Fachkräftemangel ein Geschäftsrisiko. Das betrifft nicht nur das aktuelle operative Geschäft der Unternehmen, sondern wird auch negative Folgen für wesentliche Zukunftsaufgaben wie Digitalisierung und Klimaneutralität haben.“

Inländische Potenziale seien zunächst auszuschöpfen, stoßen jedoch an ihre Grenzen. Hierzu gehörten Strategien wie mehr für die duale betriebliche Aus- und Weiterbildung zu werben, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu steigern oder ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer länger im Erwerbsprozess zu halten.

„Weiteres Potenzial bieten internationale Fachkräfte. Während die Migration innerhalb der EU durch Freizügigkeit gekennzeichnet ist, besteht bei der Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten weiterhin Luft nach oben“, so Schoder-Steinmüller. Seit 2020 hat Deutschland ein neues Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Es erlaubt auch Nichtakademikern und Nichtakademikerinnen zur Aufnahme oder Suche eines Arbeitsplatzes oder einer dualen Berufsausbildung nach Deutschland einzureisen.

Schoder-Steinmüller betont: „Die Erfahrung unserer Betriebe zeigt, dass das Gesetz Erleichterungen gebracht hat, jedoch dringender Handlungsbedarf besteht bei der Umsetzung. Im Rekrutierungs- und Integrationsprozess ist noch viel Optimierungsbedarf. Daher fordern wir, die Fachkräftegewinnung weiter zu erleichtern und Prozesse wie die Anerkennung internationaler Studien- und Berufsabschlüsse zu beschleunigen. Notwendig ist, eine Willkommenskultur aufzubauen, die dazu beiträgt, die Abwanderung internationaler Fachkräfte wie Studienabsolventen zu vermeiden.“

Flächendeckende Welcome-Center mit ausreichenden Kapazitäten wären eine Möglichkeit, internationalen Fachkräften den Einstieg in Deutschland zu erleichtern, aber auch Unternehmen zu unterstützen, die sich für Fachkräfte aus dem Ausland interessieren. „Rückmeldungen aus der Praxis zeigen, dass der administrative Prozess der Zuwanderung vielfach nicht wie gewünscht funktioniert. Zwischen den eingebundenen Akteuren wie Ausländerbehörden, Anerkennungsstellen, Arbeitsagenturen, Botschaften ist ein guter und schneller Prozessablauf von Nöten“, fordert Schoder-Steinmüller.

Die Erfahrung der SoliDat Solutions in Data Processing GmbH, Rödermark, zeigte, vor welchen Hürden Unternehmen stehen. Geschäftsführer Matthias Schweizer skizzierte: „Unsere seit Oktober 2021 beschäftigte Java-Entwicklerin und inzwischen bestens integrierte Mitarbeiterin kommt aus Indien. Ihre Aufenthaltserlaubnis in Deutschland läuft zum Juni aus. Fristgerecht wurden alle Unterlagen zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, der aus sachlichen Gründen nichts im Wege steht, eingereicht. Bis Anfang Mai gab es dazu von den verantwortlichen Stellen keine Rückmeldung. Die für uns damit verbundene Unsicherheit, ob uns weiterhin das wichtige Entwicklungs-Know-how zur Verfügung steht, stellte uns auf eine Belastungsprobe, vor allem weil ein Urlaub bei der Familie in der Heimat geplant war und wir Probleme bei der Wiedereinreise befürchten mussten. Klar war, dass wir kurzfristig die Lücke im Entwicklungsteam nicht würden schließen können. Zwar ist inzwischen die Situation mit einer vorübergehenden Entscheidung entspannt, aber wir wünschen uns hier eine schnellere und unbürokratische Abwicklung der notwendigen Verfahren.“

Dr. Frank Martin, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit, stellte in der Sitzung dar, wie die Situation auf dem Arbeitsmarkt und die Bedeutung ausländischer Fachkräfte für die Wirtschaft ist. „Der Beitrag von Migranten zum Beschäftigungswachstum in Hessen ist schon jetzt unverzichtbar. Bei weiter sinkendem inländischen Erwerbspersonenpotenzial bedingt durch die demografische Entwicklung zusammen mit dem Strukturwandel und der Digitalisierung werden Fachkräfteengpässe in Hessen verstärkt. Fachkräfte aus Europa wie aus Drittstatten werden dringend benötigt. Erfolgreiche und nachhaltige Integration erfordert das Zusammenwirken aller Akteure von Bundes- und Landespolitik über Kammern bis zu Sozialpartnern“, führte Dr. Martin aus.

Quelle: IHK Offenbach am Main